Donnerstag, 09. November 2017 11:56 Uhr

UN-Klimagipfel Bonn: Neue Kohledatenbank „Global Coal Exit List“ veröffentlicht. Werkzeug gegen klimaschädliche Investitionen.

Kategorie: Allgemein

 

Pressemitteilung urgewald e.V.

Bonn, 9.11.2017    Die deutsche Umweltorganisation urgewald und ihre Partner haben heute auf dem UN-Klimagipfel in Bonn die "Global Coal Exit List" (GCEL) veröffentlicht, eine umfassende Datenbank von Kohle-Unternehmen. Während die meisten Datenbanken der Finanzindustrie nur etwa 100 Kohlefirmen abdecken, liefert die GCEL Kennzahlen zu mehr als 770 Unternehmen, deren Aktivität von der Kohleexploration und -förderung über Kohlehandel und -transport bis hin zur Kohleverstromung und dem Bau von Kohlekraftwerken reichen.[1] Die Datenbank, Grafiken und Rankings zur globalen Kohleindustrie sind abrufbar unter: www.coalexit.org 

„Wir haben diese Datenbank entwickelt, um der Finanzindustrie eine übersichtliche Liste der größten Kohlefirmen zur Verfügung zu stellen, die sie nicht mehr finanzieren sollten“, sagt Heffa Schücking, Geschäftsführerin von urgewald. „Die Einhaltung des Pariser Klimaziels von 1,5 Grad Erderwärmung ist nur dann möglich, wenn Banken und Investoren rasch und vollständig aus Kohle-Investitionen aussteigen.“

Erstes zukunftsgerichtetes Divestment-Instrument

Doch dazu müssen die Banken, Versicherer und Investoren wissen, welche Firmen die Branche ausmachen. „Es ist nicht immer leicht, Kohleunternehmen zu erkennen. Sie verstecken sich zum Teil hinter Namen wie Lemur Resources, Silver Unicorn Trading oder Africa China Sunlight Energy“, erklärt Schücking. „Unsere Recherche zeigt, dass das Universum der Unternehmen mit bedeutendem Kohlegeschäft viel größer ist als Investoren denken. Effektive Desinvestitionen aus der Kohleindustrie brauchen solide Unternehmensdaten, genau das bietet die Global Coal Exit List.“

Die GCEL liefert wichtige Informationen unter anderem über die jährliche Kohleproduktion, die installierte Kohlekraftwerkskapazität und ihren Kohle-Anteil gemessen an Umsatz und Stromproduktion. Diese Daten hat urgewald in Quellen wie Geschäftsberichten, Investorenpräsentationen und den Websites der Unternehmen gesammelt. Insgesamt machen die auf der GCEL gelisteten Unternehmen über 88% der weltweiten Kohleförderung und 86% der weltweiten Kohlekraftwerkskapazität aus. Sylvain Vanston von der Nachhaltigkeitsabteilung des Versicherungskonzerns AXA sagt: "Die Global Coal Exit List gehört zu den umfangreichsten Kohledatenbanken, die wir bisher gesehen haben. Sie ist ein großartiges Instrument für Investoren, die ihre Portfolios von Kohle befreien wollen."

Einzigartig an der GCEL ist, dass sie auch über die Pläne jener Unternehmen informiert, die neue Kohleminen und -kraftwerke bauen wollen. Damit ist sie das erste zukunftsgerichtete Instrument zum Kohle-Divestment, dem gezielten Abbau von Kohle-Investitionen. Die GCEL identifiziert 225 Unternehmen, die den Ausbau des Kohlebergbaus und 282 Unternehmen, die neue Kohlekraftwerke planen.[2] „Wir haben festgestellt, dass ein erheblicher Teil dieser Unternehmen keine traditionellen Akteure der Kohleindustrie sind“, sagt Schücking.

Ein typisches Beispiel ist Marubeni - ein riesiges, diversifiziertes japanisches Handelshaus, gleichzeitig Nummer 26 unter den größten Kohlekraftwerksentwicklern der Welt. Marubeni will mehr als 5.800 Megawatt an neuen Kohlekraftwerken in neun Ländern bauen. Bill McKibben, der Gründer der Divestment-Kampagnenorganisation 350.org, sagt: „Es ist erstaunlich, dass es im Jahr 2017 noch immer Menschen auf der Welt gibt, die Kohlekraftwerke bauen wollen - es gibt wirklich keinen zerstörerischeren Weg, den sie beschreiten könnten. Es ist wichtig, dass es jetzt eine Liste gibt, die zeigt wer genau hinter diesen Plänen steckt."


Die Kohleindustrie ist vielfältig

Im Gegensatz zu den meisten anderen Kohledatenbanken beschränkt sich die GCEL nicht auf Kohlebergbau und Kohleverbrennung, sondern listet auch über 200 so genannte Kohle-Dienstleistungsunternehmen auf. „Das Universum der kohlebasierten Geschäftsmodelle ist sehr vielfältig“, sagt Schücking. „Dazu gehören Unternehmen, deren Hauptgeschäftsfeld die Kohleförderung, die Kohleverarbeitung, die Herstellung von Spezialgerät für den Kohleabbau, der Transport oder der Handel mit Kohle, die Umwandlung von Kohle in Öl oder Gas, die Herstellung von Ausrüstung für Kohlekraftwerke und viele andere Aktivitäten entlang der Kohle-Wertschöpfungskette umfasst. Diese Unternehmen sollten genauso wie Kohlebergbau- und Kohlekraftwerksfirmen kein Geld mehr aus der Finanzwirtschaft erhalten“, sagt sie.

Zu den Dienstleistungsfirmen, die in der GCEL vertreten sind, gehören Australiens größter Kohletransporteur Aurizon und das chinesische Unternehmen Harbin Electric, der weltweit größte Hersteller von Kohlekraftwerken. Solche Dienstleister spielen oft eine Schlüsselrolle für den Ausbau des Steinkohlenbergbaus. Ob Botswana, die nördliche Mongolei oder Zentralborneo für die Kohleförderung erschlossen werden, hängt etwa von der Entwicklung der Kohlegütereisenbahnen ab, die von Transportunternehmen gebaut werden. Und Hersteller von Kohlekraftwerken spielen oft eine wichtige Rolle bei der Finanzierung dieser Anlagen.

Divestment: Auf die Größe kommt es an

Auch fortschrittliche Investoren schließen in der Regel nur solche Kohle-Unternehmen aus, die einen erheblichen Anteil ihrer Einnahmen aus Kohlebergbau oder Kohlekraftwerken erzielen. 50 % oder 30 % sind die am häufigsten verwendeten Schwellenwerte.[3] Diese Prozentkriterien messen jedoch nur die relative Bedeutung der Kohle für das Gesamtgeschäft eines Unternehmens. Die Auswirkungen eines Unternehmens auf unser Klima hängen jedoch von der absoluten Größe seiner Kohlegeschäfte ab. Die GCEL zeigt daher nicht nur, welche Unternehmen einen Kohleanteil bei Umsatz oder Stromerzeugung von mehr als 30 % haben, sondern auch alle Unternehmen, die mehr als 20 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr produzieren oder mehr als 10.000 MW Kohlekapazität betreiben.[4] „Wenn es uns mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad ernst ist, reichen prozentuale Kriterien einfach nicht aus. Divestment-Maßnahmen müssen auch auf absoluten Schwellenwerten basieren, die alle großen Kohleproduzenten und Top-Kohlekraftwerksbetreiber ausschließen“, so Schücking.

Von den 328 in der GCEL gelisteten Kohlebergbau-Firmen stellen allein 30 Unternehmen mehr als die Hälfte der weltweiten Jahres-Kohleförderung. Viele dieser Top-Kohleproduzenten werden nicht von den prozentualen Kriterien erfasst, nach denen Investoren bisher Divestment durchführen. Nur 11 dieser 30 Unternehmen haben einen Kohleanteil am Umsatz von über 50 %. Nur 20 haben einen Kohleanteil von über 30 % am Umsatz.

Von den 324 Kohlekraftwerksbetreibern in der GCEL betreiben die 31 führenden Unternehmen mehr als die Hälfte der weltweit installierten Kohlekapazität.[5] Knapp ein Drittel dieser Unternehmen hat jedoch einen Kohleanteil von weniger als 50 % an der Stromerzeugung. „Da selbst die fortschrittlichste Bankenpolitik Unternehmen nur dann ausschließt, wenn 50 % oder mehr ihrer Stromerzeugung Kohlestrom ist, müssen neue Standards eingeführt werden. Investitionen in Top-Kohlekraftwerksbetreiber sind Investitionen in eine katastrophale Erderwärmung von bis zu 4 Grad“, sagt Yann Louvel von der NGO BankTrack.

Das ‚Who is Who‘ der Kohle-Expansionsfirmen

Klimawissenschaftler sind sich einig, dass wir einen raschen Ausstieg aus der Kohleverstromung brauchen, doch derzeit sind noch über 1.600 neue Kohlekraftwerke geplant. Würden sie gebaut, würden sie die weltweite Kohlekraftwerkskapazität um atemberaubende 42,7 % erhöhen. Die GCEL identifiziert 87 % der Unternehmen, die hinter diesen Plänen stecken, zeigt aber auch, dass ein neuer Ansatz beim Kohle-Divestment erforderlich ist. Von den Top 120 Unternehmen, die neue Kohlekraftwerke planen, hat nur etwa die Hälfte einen Kohleanteil von über 30 % an der Stromerzeugung.

„Die Ansätze der meisten Investoren, die ihre Portfolios dekarbonisieren, gehen nicht weit genug und betreffen die meisten Unternehmen überhaupt nicht, die umfangreiche Kohleprojekte vorantreiben“, sagt Schücking. „Banken und Investoren müssen sofort aufhören, in solche Unternehmen zu investieren. Die GCEL zeigt, wen sie ausschließen müssen, um das zu erreichen“, fügt sie hinzu.

Der Klimawandel hat bereits verheerende Auswirkungen, sei es in Pakistan oder auf den Philippinen. Jedes neue Kohlekraftwerk bringt uns näher an den Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt", sagt Lidy Nacpil von der NGO Asian People's Movement on Debt and Development. "Die Finanzindustrie muss erkennen, dass jeder Dollar, den sie in Kohlekraftwerksentwickler wie NTPC, KEPCO, Marubeni oder PowerChina investiert, eine Stimme für den Klimawandel ist."

Impact Divesting aus der Kohleindustrie

„Die meisten Kohle-Divestment-Maßnahmen decken nur einen kleinen Teil der Branche ab und reichen nicht aus, um die Portfolios der Investoren wirklich mit den Pariser Klimazielen zu vereinbaren“, so Schücking. Die GCEL basiert auf der Idee, dass Investoren:

  • Unternehmen ausschließen, die den Ausbau der Kohleindustrie vorantreiben;
  • Eine 30%-Schwelle für alle Firmen der Kohle-Wertschöpfungskette anwenden;
  • Absolute Schwellenwerte festlegen, die auch diversifizierte Unternehmen ausschließen, wenn sie aufgrund der schieren Größe ihrer Kohlegeschäfte zu den führenden Kohlekraftwerksbetreibern und Kohleproduzenten gehören.

"Die Global Coal Exit List ist ein praktisches Instrument, das es Finanzinstituten ermöglicht, den 'Kohlegehalt' ihrer Portfolios zu bestimmen, neue Kohle-Investitionen zu vermeiden und ihre Abkehr von der Industrie zu beschleunigen. Wir hoffen, dass es eine breite Anwendung findet", so Schücking. "Ein schneller Ausstieg der Finanzindustrie aus Kohle-Investitionen ist nicht nur eine Frage der Vermeidung geschäftlicher Risiken, sondern eine der Erhaltung einer lebenswerten Welt."

Kontakt:

Moritz Schröder, Pressesprecher von urgewald:
moritz@urgewald.org ODER +49 176-64079965


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